Trolltunga-Wanderung mit Übernachtung
Die Trolltunga ist eins der Highlights einer jeden Norwegenreise, liegt sie doch relativ südlich in Norwegen und nicht weit anderer Touristenmagneten und Touristenstädten (Bergen, Stavangar).
Aber die Trolltunga ist auch nichts für jeden, muss man sie sich bislang doch immer noch recht hart erarbeiten. Da dieser Urlaub aber ganz im Zeichen des Wanderschuhs stand wollten wir uns doch an diese Wanderung heranwagen.
Vom 02. auf den 03. August haben wir uns die sagenhafte Trolltunga in Norwegen erwandert. Die so genannte Trollzunge ist eine besonders hervorstechende (im wahrsten Sinne des Wortes) Felsformation an einem der Ausläufer des Hardangervidda-Fjells, einem Hochplateau in Südnorwegen. Die Tour in 2015 zählt sicher zu den atemberaubendsten und anstrengendsten Erlebnissen, die der Camping-Klan bis jetzt gemacht hat.
Möglicherweise auch zu den gefährlichsten.
Ziel war es, nachdem wir den Preikestolen und die Gletscherzunge Blåisen erfolgreich erklommen hatten und auch die Abendwanderung zum Föringsfossen (bei fürchterlichem Regen) gut gemeistert hatten, die Trolltunga am 02. August 2015 zu erwandern, dort oben auf ca. 1100 bis 1200 m zu übernachten und am 03. August (an Papas Geburtstag!) wieder zurückzuwandern. 2015 war der Klan noch zu dritt, da der kleine Wirbelwind (*2017) noch nicht geboren war und der große Bruder (*2007) noch ein kleiner war und eigentlich auch noch gar kein richtiger Bruder 😉. Mit seinen 8,5 Jahren hat er das Abenteuer aber mit Bravour gemeistert und sehr viel Anerkennung von anderen Wanderern geerntet. Er war auf der gesamten Strecke das einzige Kind (das gewandert ist, die die mit dem Hubschrauber gekommen sind – dazu später mehr – zählen nicht!). Worte wie „Strong Boy“ waren keine Seltenheit.
Dazu ist unbedingt zu sagen, dass es sein eigener Wunsch war sich dieser Herausforderung zu stellen und alle Ausführungen wie anstrengend und schwierig es werden könnte und alle Alternativvorschläge wurden überhört.
Die Trollzunge
Bevor ich aber die genaue Tour beschreibe, noch kurz vorab etwas zum „Trolltanga“ wie sie nach einem Versprecher nur noch von uns genannte wurde. Was macht diese Felszunge so besonders? Nun vermutlich ist es in erster Linie die Art und Weise, wie sie auf Fotos dargestellt wird. Die ca. 10 m lange Felszunge, die mehr oder weniger senkrecht aus der sehr steilen Felswand herausragt befindet sich rund 700 m über dem darunter liegenden Ringedalsvatnet-Stausee. Im richtigen Winkel von einer gegenüberliegenden Felsklippe fotografiert, entsteht der Eindruck als würde der Wanderer auf dieser Felszunge über dem See schweben, es wirkt dadurch tatsächlich atemberaubend.
Ist es auch.
Dennoch haben wir uns vor Ort zunächst gefragt wo diese so viel beschriebene ‚Zunge‘ nun denn ist, da wir sie – obwohl wir direkt vor Ihr standen – zunächst vor dem felsigen Hintergrund nicht ausmachen konnten. Erst wenn man von der gegenüberliegenden Felsklippe den richtigen Blickwinkel auf die Zunge hat, entfaltet sie Ihre ganze Strahlkraft.
Sollte man also alleine wandern, sollte man sich unbedingt jemand zum Fotografieren suchen, mit Selbstauslöser ist hier nichts zu machen und die Bilder, die man von der Zunge runter machen kann, sind nicht bei weitem so atemberaubend.
Der Weg
Da wir wussten, dass wir die ca. 11,5 km lange Strecke (eine Richtung) komplett zu Fuß gehen müssen und dabei ca. 1200 Höhenmeter (auf und ab und auf …) überwinden müssen und wir bereits Erfahrungen am Preikestolen machen konnten, hatten wir uns im Vorfeld dazu entschlossen, auf dem Hochplateau zu übernachten und den Rückweg am nächsten Tag anzutreten. So hatten wir alle Möglichkeiten und waren für alle Fälle gerüstet. Auch eine Notfallübernachtung wäre so möglich gewesen und wenn wir gewollt hätten, hätten wir auch am gleichen Tag wieder zurücklaufen können. Und dem jungen Mann haben wir das natürlich als Übernachtung in der Wildnis verkauft, na ja, so viel zu verkaufen gab es da nicht, er war von Anfang an, Feuer und Flamme. Natürlich macht es das nicht unbedingt einfacher. Wer schon mal einen ca. 20 kg Wanderrucksack auf dem Rücken auf nur 1 km Strecke ca. 400 Höhenmeter nach oben geschlört hat (das ist nämlich der erste Aufstieg, direkt zu Beginn), wird wissen wovon ich rede. Und um ehrlich zu sein, haben wir den einen oder anderen Wanderer dort gesehen, der so bepackt über Tage auf der Hardangervidda unterwegs war, unseren vollen Respekt dafür, hier an dieser Stelle!
Unser Gepäck für eine Nacht
In jedem Fall waren wir gut vorbereitet, ich (Papa) habe einen großen Wanderrucksack mit allen Übernachtungs- und Kleidungsutensilien getragen, darunter allem voran natürlich unser kleines Wanderzelt, ein Arpenaz 2 von Quechua (superpraktisch da extrem kleines Packmaß von 7,5 l und sehr geringes Gewicht von 2,2 kg, bei einer Liegefläche von 120 x 200 cm und einer Höhe von 105 cm), drei Winterschlafsäcke, drei Luftmatratzen, Kissen und jede Menge Winter-, Regen- und Wechselklamotten, was so ein Rucksack an Platz hergibt.
Wichtig dabei war mir, dass ich jederzeit ein Regen-Cape über den Rucksack stülpen konnte, falls wir von einem Schauer überrascht würden (was wir wurden), damit wenigstens die Schlaf- und Wechselsachen trocken bleiben. Bei meiner Frau waren im Wesentlichen der Proviant und die Getränke in einem etwas kleineren Wanderrucksack untergebracht, ca. 10 bis 12 kg, würde ich heute schätzen. Der große Bruder musste natürlich auch etwas tragen, allem voran die Süßigkeiten, sein Kuscheltier und ein paar Seiten Harry Potter für die Gute-Nacht-Geschichte; welchen Teil wir damals gelesen habe, weiß ich allerdings nicht mehr, ich war wohl zu müde an dem Abend😉.
So ausgerüstet konnte es auf jeden Fall losgehen.
Die Anfahrt von Eidfjord aus
Früh am morgen des 02. August, ein Sonntag, brachen wir von unserem Campingplatz (Sæbø Camping) in Øvre Eidfjord am Eidfjordvatnet auf. Die ca. 80 km sind mit dem Auto in ca. 1,5 Stunden gut zu machen, zudem ist die Strecke landschaftlich sehr reizvoll, da man immer entlang der Ausläufer des Hardangerfjords und durch zahllose beeindruckende Tunnel fährt. Zunächst fährt man über den Riksvei 7 nach Norden Richtung Eidfjord und von da Richtung Westen nach Kinsarvik, auf Höhe der Hardangerbrua (einem beeindruckenden Brücken- und Tunnelbauwerk, s. u.) geht der Riksvei 7 in den Riksvei 13 über. Dem folgt man, durch viele kleine Dörfer hindurch (Lofthus, Ullensvang) bis nach Tyssedal, dort fährt man nicht weiter Richtung Odda (größter Ort in der Region, gut zum Einkaufen), sondern biegt vorher Richtung Osten in den Skjeggedalsvegen, der später als Skjeggedal, sich mehrere Kilometer zum Trolltunga Active Center am Vetlavatnet hin schlängelt. Dort kann man kostenpflichtig (300 NOK/Tag) sein Auto abstellen. Auch auf dem Parkplatz an den Tyssohallen (Skjeggedalsvegen 66, ca. nach 1,5 km wenn man dem Skjeggedalsvegen von Tyssodal in Richtung Trolltunga folgt) am Ortsende von Tyssodal kann man sein Auto abstellen. Hier kostet es nur 150 NOK/Tag und es wird ein Schuttle für ca. 100 NOK nach Skjeggedal angeboten.
Die Hardangerbrua ist wahrlich ein beeindruckendes Bauwerk. Sie überspannt den Hardangerfjord, ca. 16 km westlich vor Eidfjord mit einer Länge von fast 1400 m. Mit einer Höhe von über 50 Metern gewährt sie so die Zufahrt großer Kreuzfahrtschiffe bis zum Ende des Hardangerfjords bis nach Eidfjord. Das wirklich besondere aber ist, dass sie auf beiden Seiten, quasi in einer senkrechten Felswand verschwindet und dort direkt an ein Tunnelsystem angeschlossen ist (auf beiden Seiten), Tunnelsystem deshalb, weil sich auf beiden Seiten der Brücke drei zweispurige Tunnelröhren aus drei unterschiedlichen Richtungen in einem im Tunnel befindlichen, unter dem Berg liegenden Kreisverkehr treffen. Als wir das erste Mal von Bergen über die E16 kommend (bei Vossevangen auf den Riksvei 13 Richtung Hardangerbrua) durch den Tunnel fuhren, trauten wir unseren Augen kaum, so etwas hatten wir noch nicht gesehen. Nicht nur,dass wir jetzt unter dem Berg im Kreisverkehr Richtung Eidfjord abbiegen mussten, sondern anschließend auch noch aus der Felswand raus auf die Brücke fuhren (unter uns der Fjord) um nach 1,4 km wieder in der Felswand zu verschwinden. Um dort wieder nach einem längeren Tunnel über einen unterirdischen Kreisverkehr nach Eidfjord verzweigt zu werden.
Natürlich ist der Spaß nicht ganz umsonst, aktuell werden 150 NOK pro Durchfahrt aufgerufen, die man – dank der vollautomatischen elektronischen Erfassung des Kennzeichens – erst einige Monate nach der Reise bezahlen muss. Nach Aufforderung durch eine schriftliche Rechnung mit exakten Daten und Uhrzeiten dieser und anderer mautpflichtiger Durchfahrten.
Aber weiter geht’s: Wir hielten zunächst an den Tyssohallen, da wir nicht sicher waren ob es danach auch noch Parkplätze gab, ein Norweger vor Ort klärte uns aber auf, dass wir weiter Richtung Skjeggedal fahren und wenn wir Glück hätten dort einen Parkplatz finden könnten. Die Pause nutzen wir, weil wir nicht wussten, wie der Handyempfang werden würde für einen letzten Anruf (Geburtstagsgrüße) in der Zivilisation und um uns bei Jemandem offiziell abzumelden für diese Wanderung.
Am Trolltunga Active Center hatten wir dann tatsächlich großes Glück, alle Parkplätze waren eigentlich belegt, aber just in dem Moment, als wir einen brauchten, kam eine Gruppe Wanderer zurück, wir warteten geduldig bis sie alles verladen hatten und konnten dann ihren Parkplatz übernehmen.
Wir sattelten die Rücksäcke und brachen auf.
Es geht endlich los
Ich komme direkt auf den Punkt, die ersten 1000 m Weg waren sicher mit Abstand die beschwerlichsten 1000 m meines bisherigen Lebens. Auf den ersten 1000 m sind ca. allein schon 400 Höhenmeter zu machen ohne große Landschaftsunterschiede, es geht einfach nur bergauf. Der Weg oder Pfad ist sehr gepflegt und gut angelegt. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um riesige Stein-Stufen, jede ca. so 30 bis 50 cm hoch und teilweise sehr unterschiedlich.
Mit unseren riesigen Rucksäcken mussten wir fast alle 10 Minuten eine Pause machen und Wasser trinken – Unmengen von Wasser.
Zum Glück begleitet einen auf dem Stück die ganze Zeit der Mogelielvi, ein kleiner Gebirgsfluss, der sich entlang des Weges über etliche kleine und große Wasserfälle bis runter in den Vetlavatnet stürzt. Allein diese Wasserfälle sind schon für sich schön anzusehen und zu besuchen, auch wenn man es nicht bis zur Trolltunga schafft.
Oft haben wir die Wasserfälle als willkommenen Vorwand für eine Pause genommen um stehen zu bleiben und Fotos zu machen und Kekse zu essen, außerdem ist das Wasser so sauber, dass man es ohne Bedenken trinken kann.
Zu allem Überfluss wurde dies ein für diese Breitengrade recht sonniger Tag, nach ca. 20 min. steilen Anstiegs verschwand der Nebel und die Sonne kam raus, im Schatten waren es vielleicht 15 °C in der Sonne sicher 20 °C und mehr. Wir gingen kaputt und zogen uns bis auf die T-Shirts aus. Bei Aufbruch irgendwann so zwischen 11 und 12 Uhr, hatten wir vielleicht 10 °C, in der Nacht zuvor in Eidfjord vielleicht 5 °C, vielleicht noch weniger.
Die Kilometerschilder
Auch lasen wir im Vorfeld, dass es jeden Kilometer ein Schild geben sollte, dass einen darüber informiert, wieviel man schon geschafft hat und wieviel noch vor einem liegt. Dieses erste Schild kam und kam einfach nicht. Nach ca. knapp 2 Stunden machte die Landschaft zum ersten Mal Anstalten etwas abzuflachen und der Weg gab sein erstes Schild preis. Ein Kilometer.
Es lagen nur noch 10 km vor uns, was für eine Aussicht.
Wir waren jetzt schon ziemlich geschafft und auch die Zeit war schon weit fortgeschritten (ca. 14 bis 15 Uhr). Was würde uns noch erwarten?
Uns motivierte einzig und allein eine Broschüre zur Trolltunga, die wir auf unserem Campingplatz erhalten haben, die besagte, dass der schwierigste Abschnitt gleich zu Beginn wäre und es danach leichter werden würde.
Tatsächlich hatten wir wohl alle unabhängig voneinander gedacht, ob es nicht doch besser wäre umzudrehen, aber zum Glück hat es keiner geäußert, sonst hätten wir evtl. das, was noch vor uns lag nie gesehen.
Wir machten also eine etwas längere Pause und fassten neuen Mut, das nächste Kilometer-Schild (Kilometer 2) kam recht zügig, aber wir wussten aus der Broschüre dass uns bis Kilometer 4 noch ein ordentlicher Anstieg bevorstehen würde. Der war aber bei Weitem nicht so schlimm wie die ersten 1000 m.
Der erste Regenschauer
Leider änderte sich auch das Wetter zwischendurch sehr. Es wurde sehr viel kühler (wir waren herrlich durchgeschwitzt) und ein fetter Regenschauer zog über uns hinweg. So heftig, dass wir Pause machen und uns alle Regenjacken und unseren Rucksäcken Regen-Capes überziehen mussten. So schnell wie der Schauer kam war er aber auch wieder weg, höchstens eine halbe Stunde, danach blieb es aber eher bewölkt.
Danach waren wir recht zügig unterwegs und immer wieder kreuzten Schneefelder unseren Weg, was Junior unentwegt dazu motivierte Schneebälle auf meinen Rucksack zu werfen, nicht selten gingen die auch daneben, so wie in den Nacken oder die Schuhe.
Man konnte fühlen und sehen, dass wir bereits auf ca. 1000 m in einer ganz anderen Klimazone waren. Wir hatten Anfang August und konnten eine Schneeballschlacht machen, das war für uns alle neu, das hatte noch keiner von uns je gemacht.
Die nächsten Kilometer dümpelten so vor sich hin, die Wanderer, die uns entgegen kamen, wurden immer weniger und einige fragten uns schon, ob wir denn noch planen würden, heute noch zurückzulaufen, aber wir konnten sie mit Verweis auf unsere Rucksäcke beruhigen.
Auch Kilometer 7 und 8 gingen noch, doch danach ließen Motivation und gute Laune stark nach. Der nächste Kilometer gelang nur noch mit Motivationsansprachen. Wir schauten schon hier und da nach einem geeigneten Schlafplatz (ein wenig Moos oder Wiese im Untergrund auf einer ebenen Fläche, hat man hier nicht überall) für den Fall das wir es nicht mehr schaffen sollten. Wir machten bereits Pläne, dass man ja übernachten, morgen früh ohne Gepäck (das bleibt im Zelt) weiterwandern, die Zunge erreichen und zurück zum Zelt und je nach Zeit sogar zurück zum Auto laufen könnte. Wir nahmen zu dem Zeitpunkt noch an, dass runter einfacher sei, als rauf.
Wo ist Kilometer 9?
Aber wir hielten durch, inzwischen kamen uns kaum noch Wanderer entgegen und das 9 Kilometer-Schild auch nicht, es kam und kam nicht, wir liefen und liefen aber es kam einfach nicht. Aufgrund der nachlassenden Dichte an Wanderern konnten wir auch niemand fragen. Der Pfad wurde auch zunehmend schwieriger und ging jetzt von einem breitgetretenen Weg über Felsschultern, Moorwiese und Schneefelder in einen engen schmalen Gebirgspfad über, wo man – gerade mit großem schweren Rucksack auf dem Rücken – auch mal den Halt verlieren kann.
An einer Stelle war es dann doch etwas knapp, an einer sehr engen Stelle kommen uns Wanderer entgegen, die uns passieren lassen wollen, der Wegesrand gibt nach und meine bessere Hälfte droht abzustürzen, kann sich aber zum Glück im letzten Augenblick noch mit den Händen abfangen und wieder sicher auf den Weg retten. Wir kriegen alle einen mächtigen Schreck und uns wird klar, dass wir trotz aller Erschöpfung nicht leichtsinnig werden dürfen und ab jetzt noch besser aufpassen müssen. Aber Puh, es ist dann noch gerade Mal gut gegangen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit und einem absoluten Motivationstief kommen uns doch noch mal Wanderer entgegen. Wir, die befürchten vom richtigen Pfad abgekommen zu sein sind dankbar für eine Auskunft. Bei den Wanderern handelt es sich zufällig auch noch um Deutsche die uns versichern, dass wir in ca. 10 Minuten das 10 Kilometer-Schild erreichen würden, wenn wir den Weg in dieser Richtung folgen würden. Wir fragen, wo das neunte geblieben ist, aber das wissen sie auch nicht. Wir sind froh, ohne es zu merken fast 2 Kilometer statt einem Kilometer gemacht zu haben. Jetzt ist es wirklich nicht mehr weit und man meint Kilometer 11 schon förmlich sehen zu können.
Auch dieser letzte Kilometer zieht sich noch, aber wir werden getragen von dem Wissen, dass wir es bald geschafft haben. Und dann tatsächlich, auf einem Schild vor uns prangt die heiß ersehnte Zahl: 11 Kilometer! Aber wo ist diese „blöde“ Trolltunga, wir sehen sie nicht.
Wir treffen aber etwas hinter dem Schild auf Leute und fragen diese nach der Trolltunga, diese lachen nur und zeigen auf das sagenhafte Stück Felsvorsprung. Wir stehen direkt davor und sehen sie vor den dahinterliegenden Felsen nicht, sie tarnt sich einfach hervorragend und sieht zunächst gar nicht mehr so spektakulär aus wie auf den Bildern.
Endlich am Ziel
Aber wir sind da und glücklich. Sehr glücklich.
Glücklich darüber diesen Weg gemacht und dieses Ziel erreicht zu haben.
Ganz sicher sind wir alle an diesem Tag über uns hinausgewachsen und das ist ein tolles Gefühl. Es ist nämlich nicht das Stehen auf der Zunge, das einen überwältigt, sondern der Weg, den man überwunden hat. Die Zunge ist nur das i-Tüpfelchen, das Profilbild, das man sich hart erarbeitet hat.
Wir haben jetzt ca. 19 Uhr und damit über 7 Stunden für den Weg gebraucht.
Mit einem 8-jährigen und als eher ungeübte Wanderer (wir wandern zwar ab und zu, aber sind – wenn nicht im Urlaub – mal im Teutoburger Wald oder im Sauerland unterwegs) war das schon nicht schlecht – fanden wir.
Der Junior hat nach einer kleinen Verschnauf-Pause und nachdem er sich ein wenig gestärkt hat, direkt weiter die Gegend erkundet und musste direkt wieder kopfgroße Steine in einen kleinen See schmeißen. Wir Großen haben uns in der Zwischenzeit um unsere Unterkunft gekümmert, das Zelt aufgebaut und mit Luftmatratzen und Schlafsäcken ausgestattet. Ein paar andere Wanderer taten es uns gleich, aber alle hielten einen angenehmen Abstand, denn eigentlich ist Platz genug für alle. Mit dem ein oder anderen, hat man noch einmal ein Wort gewechselt und es gab auch noch einen der den ‚nackten Mann‘ auf der Trolltunga machte. Wenn schon jemand blank zieht auf der Zunge, haben wir es natürlich auch in Bild (jugendfrei von hinten) festgehalten.
Jetzt um diese Uhrzeit ist es nicht wirklich voll, doch immer wieder kommen neue Wanderer an, die Bilder auf der Zunge machen wollen. Es ist kein Gedränge, aber doch muss man immer wieder warten um ein Foto von sich selbst auf der Zunge machen zu lassen. Zu der Uhrzeit sind bestimmt immer noch so ca. 10 bis 15 Personen vor Ort. Wir haben aber Glück und die Wanderer lassen uns hier als Familie ganz in Ruhe ein paar tolle Bilder machen, selbst eines mit dem Kuscheldino, der uns dieses Jahr als Maskottchen begleitet, ist drin. Außerdem haben wir noch großes Glück mit dem Wetter, der Himmel bricht auf und wirft ein super Licht auf die Zunge für unsere Aufnahmen, alles in allem haben viel Glück und wahrscheinlich auch einiges richtig gemacht. Im Netz liest man, dass es hier je nach Jahreszeit, Wochentag und Wetter ziemlich voll werden kann – in den Abendstunden aber eher nicht weil die wenigsten übernachten.
Hier nun aber unsere tollen Bilder von der Trolltunga:
>>>>Bilderserie
>> Die Nacht, zum Glück ohne Schneesturm aber mit anderen Störungen
Nachdem wir alle Bilder gemacht haben essen wir noch gemeinsam zu Abend (für Gaskocher war kein Platz im Gepäck) ein paar kalte Bockwürstchen im Brötchen, es reicht um satt zu werden und der Ketchup liefert den notwendigen Geschmack. Während wir so vor unserem Zelt sitzen kommt ein älterer Herr des Weges, er hat kaum Gepäck scheint aber schon länger hier oben zu wandeln/wandern. Er ist vermutlich 60 oder 70 und Norweger und erzählt mir auf Englisch, dass er schon letzte Nacht hier oben gezeltet hat und dass es einen heftigen Schneesturm gab und er die ganze Nacht nur sein Zelt gesichert hätte, er lächelt und geht weiter.
Ich schlucke etwas und überlege was für Vorsichtsmaßnahmen ich treffen kann. Leider liegen dem Zelt nur die acht Heringe zur Absicherung bei und diese werden in dem eher felsig-moosigen Boden selbst einem moderaten Wind nur wenig entgegenzubieten haben, man hat das Gefühl sie fallen schon vom angucken raus.
Ich suche mir vier große Steine, die ich so gerade heben kann (mindestens 20 bis 30 kg) und packe diese auf die Heringe der Abspannbänder und hoffe, dass schon alles gut gehen wird.
So gestärkt, mit einem Sack voller neuer Erinnerungen und Abenteuer Kopf, aber auch etwas verunsichert ziehen wir uns ins Zelt zurück und versuchen zu schlafen. Junior knackt sofort tief und fest und mir geht noch eine Weile der Schneesturm durch den Kopf, aber auch ich schlafe (wahrscheinlich so gegen 22 Uhr) auch ziemlich geschafft ein.
Doch plötzlich werde ich wach, es ist ein Heidentumult draußen, es hört sich an wie eine mindestens 10-köpfige Reisegruppe, die gerade null Rücksicht nimmt. Noch hoffen wir, dass sie nur vorbeiziehen, aber wenig später müssen wir feststellen, dass sie unmittelbar neben uns zelten; aber wirklich unmittelbar. Es hört sich an als würden wir Zeltwand an Zeltwand liegen und das wo es hier doch hektarweise Flächen zum Zelten gibt. Und sie neben keine Rücksicht, sie unterhalten sich laut und fangen noch in der Nacht an zu kochen und zu essen, was das soll verstehen wir beim besten Willen nicht. Nachdem meine bessere Hälfte aus dem Zelt kriecht und sie bittet, wenn sie schon so viel Nähe suchen, ein wenig rücksichtsvoller zu sein, geht es ein kleines wenig besser, dennoch hat man den Eindruck die halten ein Gelage ab. Hmm, damit hätten wir jetzt nun wirklich nicht gerechnet, da ist man schon am Ende der Welt und muss sich trotzdem über seine rücksichtlosen Nachbarn ärgern.
Zum Glück sind es aber weder Norweger noch Deutsche.
Der Ärger hält uns noch eine Weile wach, aber irgendwann schlafen wir wieder ein.
Ich allerdings werde in der Nacht immer wieder wegen der klirrenden Kälte wach, ich friere tatsächlich stark (selten so gefroren) und vermute, dass die Temperaturen inzwischen weit unter Null liegen müssen, ich schätze so -3 bis -5°C.
Obwohl wir alle Winterschlafsäcke haben, die bis -10 °C noch komfortables Schlafen ermöglichen sollen und wir voll bekleidet sind (nur ohne Jacken und Schuhe) frieren wir beiden Großen uns den Ast ab, nur Junior ratzt seelenruhig. Am nächsten Morgen versichert er uns, dass er nicht gefroren hat, wir können es kaum glauben, aber vielleicht lag es daran, dass er in der Mitte zwischen uns lag.
>> Der nächste Morgen und der Hubschrauber
Am nächsten Morgen wachen wir ziemlich früh (ca. 6 Uhr) und ziemlich durchgefroren auf und zeihen uns an. Auf meiner ersten Suche nach Wasser für eine Gesichtswäsche kommt mir der kleine See in den Sinn, in den Junior gestern noch Steine warf.
Ich suche etwas und finde ihn dann und glaube meinen Augen nicht, er ist komplett zu gefroren. Sicher war es also sehr kalt letzte Nacht. Ich zerbreche das Eis und wasche mein Gesicht mit dem Wasser und bin schlagartig wach.
Wir machen etwas Frühstück (Bockwürstchen im Brötchen mit Ketchup und Keksen) und packen langsam zusammen.
Während wir zwischendurch immer wieder den herrlichen Tag (die Sonne scheint) und die tolle Aussicht genießen, wird es auf einmal laut. Am Horizont erscheint auf einmal ein Hubschrauber und kommt immer näher. Wir denken Fürchterliches: Ein Unfall, ein Absturz oder Ähnliches könnte sich in den Morgenstunden ereignet haben.
Auf der anderen Seite bin ich aber auch ein wenig erfreut darüber, weil der Lärm hoffentlich unsere rücksichtlosen Nachbarn etwas unsanft aus dem Schlaf reißt, aber leider tut er das nicht, sie scheinen den Schlaf der Gerechten zu schlafen.
Während ich noch so hoffe, landet der Hubschrauber vielleicht in 200 bis 300 m Entfernung auf einer Felsschulter etwas oberhalb unserer Zeltwiese. Alle sind gebannt, was passiert jetzt: Springt ein Rettungskommando da raus?
Nein, die Tür geht auf und heraus springen drei, vielleicht 12 Jahre alte Knaben, die lustig hüpfend ihren Weg zur Trolltunga fortsetzen, der Hubschrauber hebt wieder ab und ist genauso schnell verschwunden wie er gekommen ist. Wir sind fassungslos bei dem Gedanken, wie wir uns hier gestern hier hochgequält haben.
Die drei Jungs schlendern quasi an uns vorbei und sind auf der Trolltunga wieder zu sehen.
Naja, auch ein Weg hier hoch zu kommen. Wenn also jemand erzählt er wäre auf der Trolltunga gewesen so heißt das nicht automatisch, dass er auch selbst dort hingewandert ist 😉
>> Der Rückweg
Wir genießen noch ein wenig die Aussicht und machen uns nun langsam auf den Weg, packen unsere Sachen zusammen, schultern die Rucksäcke und ziehen los.
Das Wetter ist bombastisch und wir werden die ganze Zeit von der Sonne begleitet, es wird wärmer und wärmer und die ersten paar Kilometer gehen super, da es nicht so steil ist.
Ach ja, und da war ja noch was, ich hab heute Geburtstag, ich werde 36 hier, jetzt und heute an der Trolltunga, für sich allein schon ein tolles Geschenk.
Der Rückweg ist bis auf ein paar Schneeballschlachten mit Junior relativ unspektakulär, allerdings sehen wir wie viele Wanderer uns entgegen kommen, es scheint wohl heute ziemlich voll zu werden, selbst am Morgen, als wir gefrühstückt haben, war schon ordentliches Gedrubbel an der Zunge, so dass wir uns nicht noch mal angestellt haben drauf zu klettern.
Die letzten zwei Kilometer ziehen sich auf dem Rückweg auch wieder (obwohl wir alle Kilometerschilder gefunden haben, bis auf das neunte, das scheint weg zu sein), ganz besonders der letzte, da unsere Rucksäcke auf den steilen Stufen bergab ganz schön in die Kniee drücken. Im Nachhinein fällt es mir schwer zu sagen, was leichter war.
Dennoch meistern wir das letzte Stück mit Bravour und ohne größere Blessuren, aber dafür mit sehr vielen Trinkpausen, viele hundert Wanderer kommen uns entgegen.
Gegen 14 Uhr kommen wir am Parkplatz an und sind völlig K.O., aber auch zufrieden. Zu allererst muss ich aber mein Versprechen von gestern Abend einlösen und meinen beiden Wandergenossen ein dickes Eis besorgen. Das gibt’s dann in der Nærbutikk am Tveitavegen 2A in Tyssedal, dem nächstgelegenen Supermarkt, der sicher günstiger ist als das Trolltunga Active Center und sich zur Bevorratung vor und nach der Wanderung hervorragend anbietet.
Anschließend fahren wir erschöpft zurück (ca. 15 Uhr), die jüngsten schlafen bereits ein und kommen gegen 16.30 Uhr am Campingplatz in Eidfjord an, duschen uns, machen den Grill an, trinken ein paar Bier und Apfelschorlen und feiern etwas Geburtstag.
Ein tolles Abenteuer und ein toller Tag gehen zu Ende, wir schlafen früh und tief und fest.
Diese Wanderung zählt sicher zu den anstrengendsten Wanderungen, die wir bisher gemacht haben.
Wir nehmen uns vor in 50 Jahren wieder zu kommen, dann werde ich 86 und hoffe, immer noch so fit zu sein, das ganze wuppen zu können, ich bin erstmal optimistisch 😉