Kanutour Degersand/Eckerö auf den Ålandinseln (FIN).
Auch bei unserem zweiten großen Halt im Sommerurlaub 2018, auf den Ålandinseln, hatten wir eine Kanutour geplant. Natürlich hatten wir im Vorfeld wieder viel geplant und überlegt. Der ganz große Wurf wäre sicher eine Tour von Lumparland nach Föglö gewesen, mit Übernachtung auf Föglö oder auf einer der Inseln oder Schären dazwischen. Aber natürlich musste die Tour auch in den Familienalltag passen und sich mit anderen Interessen arrangieren, schließlich kann man so unglaublich viel auf den Ålandinseln machen und erleben. Zudem spielt auch hier das Wetter wieder eine ganz große Rolle, schließlich wollten wir auf die offene Ostsee raus. Unsere Tour war also wie immer von vielen „Abers“ und „Wenns“ geprägt.
Insgesamt hatten wir fünf Tage auf den Ålandinseln, die wir alle an einem Ort verbringen wollten. Wir hatten einen wunderschönen Campingplatz im Süden der Insel Eckerö, direkt am Degersand. Und da Wetter und übrige Planung es nicht anders hergaben, entschlossen wir uns am dritten Tag für eine einfache Tour (ohne Übernachtung) zu unserem Campingplatz zurück, dem Degersand Resort (s. Beitrag). Als Ausgangspunkt bot sich dafür hervorragend der kleine Strand am Westufer des Böleviken bei Böle an. Dieser ist relativ einfach vom Eckerövägen, der Hauptstraße Nr. 1, die von Eckerö nach Mariehamn führt, aus zu erreichen. Man muss dafür, von Berghamn kommend und nach Osten fahrend, kurz vor der Brücke über den Böleviken rechts in den Ekeborgsvägen einbiegen. Dann noch einmal links und dann der Straße bis zum kleinen Strand am Westufer des Böleviken folgen. Hier war es zwar etwas sumpfig und die Mücken freuten sich über diesen willkommenen Nachmittagshappen, aber mit dem passenden Schuhwerk kommt man hier ganz gut auf den Fjord und schnell weg von den Ufermücken.


Da wir unsere Tour in einem relativ geschützten Fjord, relativ überschaubar, also ohne Übernachtung durchführen wollten, hatten wir uns auch nicht so richtig mit der Wettervorhersage auseinandergesetzt. Wir wussten, dass es, etwas vom Ufer entfernt schon erheblich windiger sein konnte, als man es erwartet, aber im Böleviken selbst war alles sehr ruhig und unsere Tour begann völlig relaxt. Die Campingklaani-Mädels wollten die Zeit natürlich mal wieder zum Shoppen nutzen. Aber nicht in Mariehamn, sondern im nächstgelegenen Supermarkt um unsere Vorräte mal wieder aufzustocken. Und was will man sagen, dort gab es tatsächlich Mumin-Windeln!
Die postglaziale Landhebung und der Großvater
Am Ufer des Fjords meint man doch tatsächlich die nacheiszeitliche Landhebung erkennen zu können. Dabei handelt es sich um den Effekt, dass die skandinavische Landmasse sich Jahr für Jahr (seit dem Ende der letzten Eiszeit) aus dem Meer erhebt. Grund dafür ist, dass das Eisschild auf der Landmasse, diese während der letzten Eiszeit in den weichen Erdmantel gedrückt hat. Seit dem Abschmelzen des Eisschilds hebt sich die Landmasse nun wieder „aus dem Meer“ da das flüssige Gestein im inneren der Erde wieder zurückfließt und dadurch das Land anhebt. Dieser Effekt wird in der Geologie auch als Isostasie oder eben als postglaziale Landhebung bezeichnet.
Auf den vielen von den Gletschern der Eiszeit glatt und rund geschliffenen Höckerlandschaften der Ålandinseln, die sich teils als Schären aus dem Wasser erheben und die zumeist von einem rot scheinenden Granit-Gestein geprägt sind, scheinen sich die Wasserstände der letzten Jahrhunderte durch Erosion und anderen Markierungen verewigt zu haben. Nicht selten liest man von trocken gelaufenen Häfen oder Fischerhütten, die sich immer weiter vom Ufer entfernen.
Hier im Wasser vor Eckerö meint man die 7 mm im Jahr, die sich die Ålandinseln aus dem Meer erheben sollen, an jeder Ecke erkennen zu können.
Während wir so am Ufer vieler Fischerhütten vorbeipaddeln, beginnen wir ein Rechenbeispiel:
- Ein Mann baut zur Geburt seines Sohnes mit 20 Jahren eine Fischerhütte direkt am Ufer des Böleviken, heute ist sein Enkel 80 Jahre alt.
- Die Hütte hat sich seit dem Bau vor 100 Jahren um 700 mm aus dem Wasser gehoben.
- Wäre sie an einer steilen Felskante gebaut worden, würde sie jetzt 70 cm über dem Wasser thronen, der Weg von der Hütte zum Wasser wäre derselbe, nur der Abstand hätte sich geändert.
- Nimmt man aber an, dass das Ufer sanft zum Wasser hin abfällt, also der Uferbereich bspw. eine Steigung von nur rund 4° (lässt sich leichter rechnen) aufweist, so hat sich die Hütte in 100 Jahren, tatsächlich 10 m vom Ufer entfernt.
Leider wird der Großvater das vermutlich nicht mehr erleben, aber nimmt man an, der Enkel war 5 Jahre alt, als er das erste Mal an der Hütte war und kann sich daran erinnern, so hat sich die Hütte in seinem Leben – heute ist er 80 – um 7,5 m vom Wasser entfernt. Eine beachtliche Zahl wenn man annimmt, dass das Grundstück mit 20 m Länge an den Fjord grenzt, so hat es doch in den 75 Jahren um 150 m² Fläche zugelegt.
Aber zurück zur Tour
Während wir so Gedanken versunken vor uns hinpaddeln und fachsimpeln und rechnen, merken wir gar nicht wie wir dem Westufer des Böleviken bei Holmen immer näher kommen. Das Ufer ist komplett mit Schilf bewuchert und plötzlich begenet uns ein ziemlich agressiver Schwan. Während wir noch so denken „was hat der denn?“ sehen wir auch gleich den Grund für seine Agression. Scheinbar will er nur seine Familie schützen, die kurze Zeit später aus dem Schilf auftaucht. Wir verstehen, und entfernen uns sofort kleinlaut vom Ufer und gehen auf Abstand. Der Schwan begleitet uns noch eine ganze Weile und ist ziemlich laut, wir behalten ihn im Blick und irgendwann dreht er zum Glück ab.

Wind und Strömung werden stärker, gerade in Ufernähe spürt man die Brandung. Wir wollen aber nicht zu weit auf den Fjord raus, unser Gepäck und unsere Vorräte (Wasser und Kekse) ist schließlich nur für ein „Tagesausflug“, nicht für eine Notlandung mit Übernachtung in der Wildnis ausgelegt. Wir paddeln bei immer schöner werdendem Wetter (wäremer, aber windiger) weiter Richtung Süden und passieren zunächst Sandhamn auf der Ostseite des Fjordes und kommen weiter voran nach Hummelvik. Der Böleviken geht langsam in den Kyrksundet über, warum der wohl so heißt, eine Kirche können wir nicht sehen und da sich das Land hebt kann hier auch keine in den Fluten liegen, spekulieren wir. Da wir uns aber weitestgehend am Westufer orientieren durchfahren wir alsbald auch den Holmviken, passieren Långnäsgrundet westlich und steuern an Holmskatan und Kalvskatan vorbei nach Korgen wo der Kyrksundet in den Torp Sund übergeht.
Vom Torp Sund aus können wir nun zum ersten durch den Torpjärden in die offene Ostsee gucken, Wind und Wellen werden immer ausgeprägter, die Sonne auch, wir sind gespannt wie es erst wird wenn wir endlich in der Ostsee sind.



Trotz der Wellen ist gerade in den Buchten (Sandviken) das Wasser unfassbar klar, der Versuch das in einem Bild festzuhalten kostet uns fast den trockenen Hintern; die Brandung ist enorm und da ich wegen des Fotos nicht steuern kann, kommen wir genau parallel dazu. Wir passieren Bonäs und Bonäsgrundet westlich und können bereits die ersten Ausläufer von Torpön erkennen. Hätten wir eine Übernachtung einbauen wollen (diese muss immer auf einer einsamen Insel sein) hätten wir wahrscheinlich Lillören (westlich von Torpön) oder Lillholm (östlich von Torpön) gewählt, denn Torpön ist definitiv bewohnt und das skandinavische Jedermannsrecht sagt „Kannst Du sie sehen, können sie Dich sehen!“ … und dann bist Du zu nah. Wir fahren an Bonäskatan und an der Insel Bonäsgrundet östlich vorbei in die Bucht Bonäsviken und von dort in den Västerfjärden. Nach kurzer Zeit wir der Fjord zwischen Eckerö und Torpön enger (Kungshamn) und zu unser Rechten erscheint – zu unserer Überraschung – der Badesteg vom Degersand Resort (unserem Campingplatz). Wir dachten der Campingplatz liegt direkt am Strand der Degersand-Bucht, wir wussten aber nicht, dass es auch einen Badesteg direkt zum Fjord gibt – ganz nettes Plätzchen hier. Zur Not könnten wir, falls wir die Ostsee nicht bewältigen können, auch hier anlanden und das Boot aus dem Wasser holen und via Bootswagen zum Campingplatz schieben. Aber Achtung: Dafür sind vorher einige Stufen zu bewältigen, einen astrein Bootswagen-tauglichen Weg konnten wir weder vom Wasser noch von Land aus ausmachen.



Nach Kungshamn paddeln wir direkt auf Flyttan zu, Wind und Wellen werden wieder etwas ruhiger und wir entschließen uns kurz vor der offenen Ostsee noch eine kleine Kekspause auf Flyttan zu machen. Flyttan ist die unfassbar schöne Insel/Halbinsel die im Südosten der Degersand-Bucht über eine schmale Straße an Eckerö angebunden ist. Wir zeihen das Boot auf die sehr flachen Felsen und steigen etwas weiter hianuf um die Aussicht zu geniessen. Als nächstes wollen wir über die scheinbar sehr ruhige Ostsee um Flyttan rum in die Degersand-Bucht. Der Blick nach Hammarland (Südost) rüber ist atemberaubend, wir überlegen einen Moment, rüber nach Rödskär zu fahren und von da aus dann in die Degersand-Bucht, aber aufgrund der Erfahrungen auf dem Fjord und der sicher schwierigeren Bedingungen auf der Ostsee, beschließen wir kurzer Hand, dass wir noch mal wieder kommen müssen, allein schon wegen der tollsten Sauna der Welt (siehe Beitrag zum Degersand Resort Campingplatz).



Nach einer langen Pause startet nun die letzte und vermutlich schwierigste Etappe, wir wollen um die Halbsinsel Flyttan in die Degersand-Bucht. Wir legen ab am späten Nachmittag, die Sonne brennt (.oO Drei-Wetter-Taft), es ist kaum noch eine Wolke am Himmel, wir haben echt Glück mit dem Wetter. Aber innerhalb von wenigen Minuten bestätigen sich meine schlimmsten Befürchtungen. Nachdem wir die Brandung verlassen haben und weiter nach Westen zur Degersand-Bucht paddeln spüre ich bereits die unglaublichen Wind- und Strömungskräfte, die so eine See drauf hat. Wir befinden uns jetzt am Westzipfel von Flyttan und haben das Gefühl auf der Stelle zu paddeln, kommen wir dem Ufer zu nah macht uns die Brandung strubbelig, kommen wir zu weit raus, habe ich das Gefühl die See macht mit uns was sie will. Wir müssen echt noch mal richtig reinhauen. Just, in diesem Augenblick zieht ein Seekajak an uns vorbei, grüßt und ist so gleich wieder weit weg. Das motiviert uns, es kann doch nicht sein, dass der alleine mit so einer Leichtigkeit an uns vorbei düst – ich mache meine letzten Bilder – und dann geben wir Vollgas. Er hat zwar das gleiche Ziel wie wir, wir haben aber trotzdem keine Chance ihn einzukriegen. Während wir alles geben spekulieren wir darüber ob er einfach gut trainiert ist, oder ob es einfach sein Boot ist, was ihm diesen unglaublichen Vorteil bescherrt. Wir wissem es nicht und er verschwindet irgendwan am Strand. Nichts desto trotz, er hat uns ungemein motiviert und wir haben scheinbar die schwierige Querströmung vor der Bucht überwunden und müssen jetzt nur noch mit der Brandung kämpfen, uns trennen höchstens noch 500 m vom Ziel.




Die Campingklaani-Mädels empfangen uns direkt am Strand.
Am Ende meistern wir die Brandung gekonnt und landen an. Nach ca. 12 km sind wir auch ordentlich erschöpft und brauchen dringend einen Feierabend. Schnell das Boot sauber und ins Trockene gebracht wird der Grill entzündet, heute Abend gibts Burger – und die haben wir uns verdient.
Es war eine tolle Tour bei perfekten Wetterbedingungen, gerne hätten wir eine Abenteuer-Übernachtung eingebaut, aber nach dem langen Tag in unseren bequemen Bettchen im Wohnwagen zu liegen hat auch was.
Nächstes mal werden wir auch eine Tour auf Föglö mit einplanen, angeblich eines der schönsten Paddelgebiete auf den Åland-Inseln. Wir waren das erste Mal hier und dafür war unsere Tour ein fach herrlich und atemberaubend, wir können uns kaum vorstellen, dass das noch besser geht. Aber wir werden sehen.
Zusammenfassung:
Eintägige Kanutour von Böle (Böleviken) nach Degersand (Eckerö/Ålandinseln (FIN))
| Datum: | Di. 21.08.2018 (1 Tag) |
| Art der Tour: | Kanutour, Kanuwandern, Wasserwandern |
| Dauer: | insgesamt ca. 2,5 Stunden |
| Länge: | insgesamt ca. 12 km |
| Bootstyp: | Zweier-Kanadier (2-Kanadier) |
| Mobile Adventure Symphony 16 | |
| Länge: 4,88 m; Leergewicht: 35 kg (ca. 150 kg Zuladung) | |
| Gewässer: | Böleviken, Kyrksundet, Torpfjärden, Degersand (Ostsee) |
| Eckerö, Ålandinseln, Finnland | |
| Start: | Weststrand des Böleviken, Ekeborgsvägen, Böle, Eckerö, Ålandinseln, Finnland |
| Startkoordinaten: | 60°13’28.0″N 19°35’10.1″E |
| Ziel: | Degersand Resort, Degersand, Degersandsvägen, Eckerö, Ålandinseln, Finnland |
| Zielkoordinaten: | 60°09’16.1″N 19°35’47.8″E |
| Wetter: | sonnig (ca. 20 °C), vereinzelt Wolken |
| Windstärke: 2 bis 3 (10 bis 15 km/h), West | |
| Wellenhöhe: ca. 30 bis 40 cm | |
| Schwierigkeitsgrad: | I bis II, leicht bis mäßig schwierig, stark wetterabhängig |
| familientauglich: | ja, wenn alle Familienmitglieder etwas Erfahrung mitbringen (keine Anfänger) |
| Alterstauglichkeit: | ca. ab 8 Jahre (sicherer Schwimmer, Gold o. Ä.) |
| Besonderheiten: | keine Umtragen, kein Bootswagen erforderlich |
Wir hoffen das Lesen hat Spass gemacht und Lust darauf das Abenteuer selbst zu erleben.
Vielen Dank für Eure Kommentare und Fragen!